Dr. med. Anne Wippermann

Dies ist ein Beitrag, der anlässlich einer Fachtagung „Bürgerschaftliches Engagement in Kindertagesstätten“ am 19./20.04.2012 in Mainz erstellt wurde.

Wer intensiven Kontakt zu Kitas pflegt, dem wird klar, welche wichtige und grundlegende Aufgabe den ErzieherInnen obliegt. Angesichts der hohen Belastung der ErzieherInnen haben ältere Menschen häufig den Wunsch, sich zur Entlastung der hauptamtlichen ErzieherInnen zu engagieren. Möglichkeiten des Engagements müssen vor dem Hintergrund des Auftrages gesehen werden, den Kitas zu erfüllen haben. Im Sozialgesetzbuch-8 sind im § 22 die Grundsätze der Förderung beschrieben:

  1. Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden. …
  2. Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen 1. die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, 2. die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen, 3. den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.
  3. Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen.

Eine Unterstützung in der Erziehung und Bildung bedarf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und Abstimmung mit den ErzieherInnen, denn diese tragen die Verantwortung für die Förderung der ihnen anvertrauten Kinder. Die in obigen Grundsätzen genannten Entwicklungsziele können von externen Personen auf verschiedene Weise unterstützt werden. Hier seien einige Bereiche aufgeführt, die mit unterschiedlicher Intensität und Qualität der Förderung einhergehen:

Singen und Bewegen fördert soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung, mit Ehrenamtlichen unter fachlicher Anleitung

Tanzen fördert soziale, emotionale und körperliche Entwicklung, unter fachlicher Anleitung

Musizieren fördert emotionale und geistige Entwicklung, unter fachlicher Anleitung

Gestalten fördert emotionale und geistige Entwicklung, mit Ehrenamtlichen beientsprechender Erfahrung

Malen, fördert emotionale und geistige Entwicklung, mit Ehrenamtlichen bei entsprechender Erfahrung

Erzählen und Vorlesen mit Ehrenamtlichen.

Durch Singen und Bewegen werden alle vier Entwicklungsbereiche, die in den „Grundsätzen…“ aufgeführt sind, angeregt. Diese hohe Wirksamkeit in der frühkindlichen Entwicklung legt es nahe, das Singen in Kitas wieder zu etablieren.

Meine langjährige Erfahrung in eigener Praxis als Ärztin für Kinderpsychiatrie und Psychotherapie hat mir gezeigt, wie enorm wichtig die frühe Förderung kindlicher Ressourcen ist. Als Vorsorge für die Vermeidung frühkindlicher Entwicklungs-Rückstände oder gar – Störungen gilt für mich das Singen als Mittel der Wahl. Ohne fachliche Anleitung und mehrjährige Betreuung ist dieses Ziel jedoch nicht zu erreichen.

Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther hat in seinen Büchern die Bedeutung des Singens für die frühkindliche Entwicklung wiederholt dargestellt (z.B.: „Was wir sind und was wir sein könnten“). In einer Expertise für das Netzwerk „Il canto del mondo“, die hier zur Lektüre empfohlen wird, sind seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse dargestellt.

Als sehr geeignetes Konzept für das Singen in Kitas habe ich mich für das vom Musikpädagogen Dr. Adamek entwickelte Singprogramm „Canto elementar“ eingesetzt. Mit den Mitteln der Anne und Wilm Wippermann Stiftung konnte das Projekt in bisher 17 Kitas in Kaiserslautern etabliert werden.

„Canto elementar“ ist ein Generationen verbindendes und nachhaltiges Singprogramm für Kindergärten. Über eine Zeitraum von zwei (in Kaiserslautern von drei) Jahren singen geschulte – durchweg ältere Menschen – als ehrenamtliche Singpaten regelmassig einmal in der Woche in einem Kindergarten mit den Kindern und ihren ErzieherInnen und begeistern alle Teilnehmenden. Singen kann so Einzug in den Alltag des Kindergartens finden, aber auch Lebensfreude bei den Singpaten wecken oder verstärken. Begleitet wird der Prozess durch ausgebildete „Canto TrainerInnen“ (Musikpädagogen), die die Erzieherinnen und Singpaten betreuen und vor Ort unterstützen. Nach zwei (bzw. drei) Jahren können die Beteiligten das Programm weitgehend alleine steuern.